Zeitgedanken mit Hartmut Rosa
Moderne Gesellschaften können sich nur dynamisch stabilisieren: Sie müssen unablässig wachsen, beschleunigen und innovieren, um ihre Institutionen zu erhalten und ihre soziale Struktur zu reproduzieren. Über zwei Jahrhunderte hinweg dominierte die Vorstellung, dass diese Dynamik mit einer Verbesserung der Lebensverhältnisse einhergeht: Überwindung von Not, Beseitigung von Unwissenheit, freie Lebensbedingungen. Heute ist jene Überzeugung an beiden Enden erloschen: Klimakatastrophe, Krieg, Seuchen, ökonomische Zusammenbrüche formen einen dunklen Zukunftshorizont. Zugleich verändert sich unser Vergangenheitsbild: Europas Geschichte ist nicht einfach die der Liberalisierung, Demokratisierung, Pazifizierung, sondern eine Gewaltgeschichte, geprägt von Kolonialismus, Imperialismus, Sexismus. In seinem Vortrag «Bedrohliche Zukunft, dunkle Vergangenheit – Zeitkrise Europas» versucht der Soziologe und Politikwissenschaftler Hartmut Rosa aber, die Umrisse eines resonanten gesellschaftlichen Welt- und Zeitverhältnisses zu entwerfen.