Wie können wir gute Vorfahren werden?
TEXT: MICHAEL FÄSSLER; ILLUSTRATIONEN: FRANK DITTMANN
Das Generationen-Barometer, welches das Berner Generationenhaus zusammen mit dem Forschungsinstitut sotomo herausgibt, brachte 2020 bei den jüngsten Befragten ein auffälliges Hoffnungsdefizit zutage: 42 Prozent der 18 – 24-Jährigen fehlt es laut der Umfrage an Hoffnung und Zuversicht, wenn sie an die Zukunft denken. Das Generationenversprechen, wonach es der nächsten Generation immer besser geht als der vorangegangenen, scheint nicht mehr zu gelten.
Die Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den Generationen sind vielfältig und grundlegend für den Fortbestand einer Gesellschaft. Unsere Gesellschaft baut auf dem Wissen, der Kultur und dem Wohlstand vorangegangener Generationen auf – jede Generation ist demzufolge gefordert, die Lebensgrundlage für die kommenden Generationen zu sichern.
Ein Generationenprojekt mit einer Laufzeit von 30 Jahren
Wie können wir also als Gesellschaft Rahmenbedingungen schaffen, die gegenwärtigen Generationen dient, ohne künftigen Generationen die Lebensgrundlage zu entziehen? Wie sieht eine generationengerechte Zukunft aus, welche die Bedürfnisse der bestehenden Generationen befriedigt, ohne die Lebenschancen künftiger Generationen zu gefährden? Was schulden wir den nach uns lebenden Generationen? Und wie sieht ein zukunftsfähiger Generationenvertrag aus? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des neuen Themenschwerpunkts im Berner Generationenhaus. Die zugehörige Aktion trägt den Titel «Denkmal 2051. Für zukünftige Generationen» und ist auf 30 Jahre angelegt.
Seit dem November erwartet die Besucherinnen und Besucher im Innenhof des Berner Generationenhauses in einer aufblasbaren Hülle ein interaktiver Parcours zum Thema. Der rund 45-minütige Rundgang regt an, sich mit unserem Verhältnis gegenüber kommenden Generationen auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene auseinanderzusetzen. Am Ende des Rundgangs diktieren die Besucherinnen und Besucher ihre Wünsche und Versprechen für zukünftige Generationen einer Roboterhand, welche diese auf eine Papierrolle überträgt. Die Papierrolle mit den gesammelten Wünschen und Versprechen wird am 1. Juni 2022 in einer Zeitkapsel im Innenhof des Berner Generationenhauses vergraben und darüber ein «Denkmal für zukünftige Generationen» errichtet. Wie dieses Denkmal aussehen soll, wird in einem öffentlichen Ideen-Wettbewerb ermittelt. Mit der Errichtung des Denkmals wird auch ein «Gedenktag für die Rechte und Bedürfnisse zukünftiger Generationen» ins Leben gerufen, der bis ins Jahr 2051 jeweils am 1. Juni stattfinden wird. Im Jahr 2051 wird die Zukunftskapsel in einer feierlichen Zeremonie ausgegraben und werden die Wünsche aus dem Jahr 2021/22 vorgelesen. Zugleich wird über die Weiterführung des Denkmals und die Erneuerung des Generationenversprechens für weitere 30 Jahre entschieden.
Zukünftige Generationen haben keine Lobby
In Politik und Gesellschaft haben zukünftige Generationen keine Lobby, die sich für ihre Rechte und Bedürfnisse einsetzt. Der Kleinstaat Wales zeigt dagegen, wie dafür gesorgt werden könnte, dass zukünftige Generationen mit am Verhandlungstisch sitzen: Eine Kommissarin für künftige Generationen beurteilt dort politische Vorhaben auf deren Zukunfts- und Generationenverträglichkeit. In der Schweiz gibt es keine vergleichbare Institution. Mit der Aktion «Denkmal 2051. Für zukünftige Generationen» will das Berner Generationenhaus deshalb künftigen Generationen eine Stimme geben und gegenwärtigen Generationen die Frage stellen: Wie können wir gute Vorfahren werden?