TEXT: SIMON JÄGGI, LEITER KOMMUNIKATION UND MARKETING, NATURHISTORISCHES MUSEUM DER BURGERGEMEINDE BERN; BILD: LISA SCHÄUBLIN
Eines ist gewiss: Die Sonne wird sich in circa 5 Milliarden Jahren zu einem «Roten Riesen» aufblähen und den Planeten Erde verbrennen. Der einzige, unausweichliche Weltuntergang ist jedoch in unvorstellbar weiter Ferne. Sicher ist auch: Die Welt ist noch nie untergegangen, dafür aber Welten unterschiedlichster Lebewesen. Schon mindestens fünf Mal in der Erdgeschichte lösten Naturkatastrophen Massensterben aus, bei denen ein Grossteil aller Tierarten von der Erde verschwand. Findet gegenwärtig ein sechstes Massensterben statt, ausgelöst durch den Einfluss des Menschen? So umstritten die Antwort wäre, unbestritten ist, dass die Artenvielfalt auf der Erde rasant abnimmt und unterschiedliche Welten für immer verschwinden.
Menschliche Welten waren und sind ebenso bedroht: Naturkatastrophen, Kriege, Seuchen und andere Desaster haben unzähligen Menschen das Leben gekostet und ganze Kulturen ausradiert. Jederzeit könnte ein Meteorit auf der Erde einschlagen, ein Vulkan ausbrechen oder ein Gammablitz einschlagen. Oder stellen gar neue Technologien die grösste Gefahr für die Menschheit dar? Erschaffen wir mit Hilfe der künstlichen Intelligenz Wesen, die sich irgendwann gegen uns erheben und uns auslöschen werden?
Der Weltuntergang stellt kein klassisches Ausstellungsthema für ein Naturhistorisches Museum dar. Es handelt sich um kein eigentliches Naturphänomen, eher um eine menschliche Erfindung, die so alt ist wie die Menschheit selbst. In den ältesten überlieferten Schriften sind bereits Untergangs-Fantasien enthalten, etwa im Gilgamesch-Epos. Die Offenbarung des Johannes in der Bibel prägt das Verständnis von Apokalypse in der westlichen Welt.
Die Geschichte vom Ende der Welt ist uralt und brandaktuell zugleich. Die Vorstellung vom Weltuntergang spiegelt die Ängste und das Bedürfnis nach Erklärung einer jeden Epoche. In ihr sammelt sich die Furcht vor Naturkatastrophen, Krankheiten, neuen Technologien oder politischen Entwicklungen. Deshalb wird der Weltuntergang häufig bemüht: für religiöse Prophezeiungen, politische Schreckensszenarien oder gesellschaftliche Zukunftsvisionen. Das Untergangs-Narrativ entfaltet immer wieder seine Wirkung als Drohkulisse, Projektionsfläche oder Kreativmotor. Denn die reale wie auch die imaginierte Bedrohung hat immer auch Lebenskräfte geweckt und den Innovationsgeist der Menschen beflügelt. So sind bedeutende Werke der westlichen Kulturgeschichte in Bezug auf die christliche apokalyptische Prophezeiung entstanden. Auch heute schöpfen Menschen Ideen und Inspiration aus dem nahen Ende der Welt: als «Prepper», die sich für den Weltuntergang rüsten, als Klimaaktivisten oder als Musiker, die den Weltuntergang herbeisehnen.
Die Ausstellung schlägt in sieben thematischen Räumen einen weiten Bogen – von sachlicher Analyse über Prophezeiungen und Spekulationen bis zu offener Lust am Untergang. Das Wechselbad konfrontiert die Besucherinnen und Besucher mit eigenen Vorstellungen und Erfahrungen. Die Ausstellung dauert fünf Jahre. Der siebte und letzte Raum wird jedes Jahr von einer Künstlerin oder einem Künstler neu gestaltet.