Von der Bank in die Backstube
TEXT UND BILD: NORA SCHWEIZER
Die Situation eines frischen Grundschulabgängers ist alles andere als einfach. Ein neuer, unbekannter Weg steht bevor. Auch bei Patric Walthert war es nicht anders. Zwar liebäugelte der heute 24-Jährige ursprünglich mit dem Beruf des Flugzeugmechanikers. Konkret wusste er aber doch nicht, welchen Beruf erlernen. Als er die Lehrstelle als Polymechaniker auf sicher hatte, war er froh, nicht mit leeren Händen dazustehen. Es sei aber mehr eine Überforderung als eine bewusste Entscheidung gewesen. Bereut hat er diesen Weg aber nie. Die Lehre gefiel ihm sogar sehr gut und weckte noch weitere Interessen bei Patric wie etwa die der Robotik.
Die Möglichkeit, den geweckten Interessen nachzugehen, bot die Berufslehre jedoch nur beschränkt. Die Robotik gehörte aber schlicht nicht zu den Kernkompetenzen der Patric Walthert ausbildenden Firma, weshalb weder Arbeit noch Know-how in diesem Gebiet vorhanden waren. Von diesen eigenen Erfahrungen geprägt, gründete er im Jahr 2017 Après School.
Das Blatt soll weiss sein
Lernende sollten die Möglichkeit haben, rund um die Kernkompetenzen ihrer Ausbildung individuellen Interessen nachzugehen. Der Kern müsste jedoch bestehen bleiben. Aber es sollte kein vollgeschriebenes Blatt vor ihnen liegen. Die speziellen Ausbildungsangebote für Lernende, die Patric Walthert mit Partnerfirmen nun organisiert, dauern einige Tage bis mehrere Monate. Mitte Februar 2020 werden die ersten Lernenden ihre Praktika beginnen. Nebst offensichtlichen Parallelen wie bei Konstrukteuren und Polymechanikern sollen auch neue Synergien geschaffen werden können: ein Koch, der in einer SAC-Hütte am Herd steht, oder ein Banklehrling, der Erfahrungen im Kundenkontakt an der Theke einer Bäckerei anstatt bei der Bank sammelt.
«Einmal einen Blick über das eigene Gebiet hinaus zu wagen, kann eine wichtige Erfahrung für Jugendliche sein», meint Patric Walthert. Die Vision von Après School ist es, Lehrlingen eine firmenübergreifende Gestaltung ihrer Ausbildung zu ermöglichen. So können sie von ausserbetrieblichem Wissen profitieren. Klar ist, dass Lehrbetriebe im Gegensatz zu Gymnasien keine Dienstleistungsbetriebe sind. Lernende sind aus der Sicht ihres jeweiligen Lehrbetriebs in gewissem Masse Fachkräfte im Dienst der Produktivität. Für ein Gymnasium steht keine Wirtschaftlichkeit im Vordergrund. Schüler sollen ihren Interessen nachgehen und sich auf die Anforderungen eines Studiums vorbereiten. Sie können Schwerpunktfächer und Ergänzungsfächer wählen, auch Sprachaufenthalte sind vorgesehen. Die Breite des gymnasialen Wegs bedeutet einen entscheidenden Pluspunkt. Doch auch die Berufslehre ist in der schweizerischen Bildungslandschaft von Wichtigkeit, nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht. Patric Walthert verdeutlicht: «Klar ist: Während früher viele Arbeitende in ihren ursprünglichen Berufen pensioniert wurden, wird das zukünftige Arbeitsleben von mehr Vielfalt und von Wechseln geprägt sein. Das Ziel der Grundbildung muss sich entsprechend ändern.»