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Züglete einer Spechtfamilie im Bremer

16.05.2022

Im Schweizer Wald leben rund 20'000 Tier- und Pflanzenarten, rund die Hälfte aller im ganzen Land heimischen Arten. Ihre Lebensweisen im Wald sind auf komplexe Weise miteinander verflochten. Das Bewirtschaftungskonzept der Burgergemeinde Bern trägt diesem Umstand besonders Rechnung, wie das Beispiel einer Schwarzspechtfamilie im Bremgartenwald zeigt.

TEXT: STEFAN FLÜCKIGER / MARTIN GRASSL; BILD: MARCEL BURKHARDT

Der Sommer 2020 war als zweiter in Folge von grossen Hitzespitzenwerten geprägt. Damals lebte im Bremgartenwald in der Nähe der Keltenschanze auch eine davon betroffene Schwarzspechtfamilie. Ihre Bruthöhle hatte sie in einer alten Buche rund 15 Meter über dem Boden angelegt. Während einer heissen Trockenperiode musste die Buche gleich über vier Wochen lang ohne Niederschlag auskommen. Das im Boden noch verfügbare Wasser vermochte sie auch nicht mehr bis in die rund 30 Meter hoch gelegene Krone hochzupumpen. In der Folge starb die Schatten spendende Krone allmählich ab, im Spechtloch darunter wurde es bis zu 45 Grad warm.

Der Hitzesommer hatte als Nebeneffekt die rasante Vermehrung des Borkenkäfers zur Folge, der sogleich viele alte und gesunde Fichten in der Umgebung befiel. Für die Spechte stellten die schädlichen Käfer ein opulentes Futterangebot dar. Die wegen des Käferbefalls abgestorbenen und vom Forstbetrieb geernteten Fichten lenkten wiederum mehr Licht auf den Waldboden und begünstigten das Wachstum von Kräutern und Sträuchern, die zuvor im Schatten der Altbäume nicht hätten gedeihen können. Die neuen Pflanzen zogen ihrerseits wiederum mehr Insekten an: ein weiterer gedeckter Tisch für unsere Spechtfamilie, die sich vollfressen und dem Winter somit bestens vorbereitet entgegensehen konnte.

Der Hitzesommer war vom Futterangebot her für die Spechtfamilie also ideal, bezüglich ihrer Wohnstätte sah die Situation dagegen anders aus. Ihr Höhlenbaum war wegen des Wassermangels angeschlagen und würde in nächster Zeit an seiner schwächsten Stelle, ausgerechnet auf Höhe der Spechthöhle, abzubrechen drohen. Im darauffolgenden Frühjahr legte die Spechtfamilie ihre neue Brut daher in einen benachbarten Höhlenbaum einer sogenannten Altholzinsel. Auf einer Altholzinsel befinden sich mit blauen Punkten markierte Bäume, die bis zu ihrem natürlichen Zusammenbruch stehen gelassen werden. Der Forstbetrieb scheidet diese rund alle 30 Hektare aus. Der Abstand garantiert unter anderem auch, dass sich hier wohnende Spechte nicht in die Quere kommen. Unsere Vögel waren mit ihrem Umzug gut beraten, zerbrach doch der von ihnen zuvor bewohnte Baum bei einem späteren Wintersturm exakt auf der Höhe der ehemaligen Spechthöhle und liegt seither auf dem Waldboden. Er wird vom Forstbetrieb bewusst liegen gelassen. Käfer und Pilze besiedelten sogleich das Totholz und nutzen es als Nistbaum: Einerseits trägt er so zu ihrem Arterhalt bei, andererseits stellt er für unsere Spechte und andere Vögel wiederum eine willkommene Futterquelle dar.

Der neue Standort der Spechtfamilie war auch deshalb ideal gewählt, weil sich in unmittelbarer Nähe ein Totalreservat mit alten Bäumen befindet, in welchem grundsätzlich auf forstliche Eingriffe verzichtet wird. Zwar siedeln dort ebenfalls eine Specht- sowie eine Waldkauzfamilie, doch das herumliegende Totholz beherbergt ausreichend Futter für alle. Dasselbe gilt auch für die vielen hohen Asthaufen in der Nähe, die inmitten grosser, neu bepflanzter Flächen angelegt worden sind, und wo es vor Insekten als Futter nur so wimmelt.

abgelegt unter: Natur, Forstbetrieb

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