Nur mit unserer Hilfe gelingt erfolgreiche Integration
TEXT: MARTIN GRASSL; BILDER: JONAS KAMBLI UND ANJA ELVERS
Mittwochnachmittag in der Stadt Bern, es klingelt. Die zwölfjährige Lorena (Name geändert) geht zur Wohnungstür und öffnet. Heute kommt Tamara zu ihr nachhause für den wöchentlichen Stützunterricht. Die von «beraber» vermittelte studentische Lehrkraft ist in diesem Haushalt besonders willkommen. Lorena hat einen Migrationshintergrund, ihre Eltern können ihr nicht bei den Hausaufgaben helfen, da ihre Deutschkenntnisse nicht so gut sind. Auch ist ihnen unser Bildungssystem zu wenig bekannt, um optimale Lern-Prioritäten für ihr Kind setzen zu können. Der Unterricht zuhause am Küchentisch findet für Lorena in einer vertrauten Atmosphäre statt, Tamara wirkt wie eine ältere Schwester. Sie geht auf das Kind ein, nimmt spürbar Anteil. Die Szene verdeutlicht sichtlich, dass ein nahezu privates, entspanntes Unterrichtsklima förderlich ist für den Lernerfolg. Besonders für Kinder mit einem anderen kulturellen Hintergrund. So wie Lorena nutzen derzeit rund 160 Berner Schülerinnen und Schüler zwischen 6 und 18 Jahren das Angebot von «beraber», die Hälfte von ihnen hat einen Migrationshintergrund. Rund 140 Studierende unterrichten und begleiten sie dabei schulisch. Was vor neun Jahren mit acht Kindern und Jugendlichen begonnen hat, ist zu einem Erfolgsprojekt geworden. «beraber» ist türkisch und heisst «zusammen», das Motto lautet Integration durch Bildung. So kann es sogar vorkommen, dass «beraber»-Lehrkräfte mit ihren Schülern ab und zu gemeinsame Freizeit verbringen, etwa bei einem Kinobesuch.
Im Vorfeld einer Unterrichtsvereinbarung organisiert das vierköpfige Vermittlungsteam von «beraber» jeweils ein Treffen zwischen den Schülern, einer vorgeschlagenen Lehrkraft und den betroffenen Eltern. Die Lehrkräfte an Schulen mit Jugendlichen im «beraber»-Programm sind sich einig: Die Unterstützung macht sich deutlich bemerkbar. Die Hausaufgaben sind gemacht, sogar wichtige Unterstützung bei der Berufswahl wird geleistet. Ebenso dankbar für die Entlastung sind die betroffenen Eltern. Aber auch die «beraber»-Lehrkräfte empfinden die geknüpften Kontakte zu den Kindern und ihren Familien als Bereicherung. Nach ihrer Erfahrung mit den von ihr betreuten Schülern gefragt, strahlt Studentin Sandra: «Ich habe einfach zwei coole Menschen kennengelernt, die mir sehr ans Herz gewachsen sind, und das ist auch die Motivation, warum ich weitermache.»
Self-Empowerment-Projekt im doppelten Sinne
Kurz vor Monatswechsel herrscht im «Internetcafé Power-Point» Hochbetrieb. Schon nur wegen des Abgabetermins beim RAV oder der bevorstehenden Wohnungsübergaben. Hier in einem Untergeschossraum an der Berner Monbijoustrasse sind Erwachsene aus vielen fremden Ländern anzutreffen, aber auch Einheimische sind auf Besuch. Neben der Gratisnutzung der Computerstationen, schätzen sie die unkomplizierte Unterstützung bei der Stellen-und Wohnungssuche, die ihnen hier von einem kleinen Team zuteil wird. Ein anderer Tag, derselbe Ort. Gründer Thomas Näf erklärt dem Asylsuchenden Tamer (Name geändert) aus der Mongolei geduldig die ersten Schritte auf dem Computer, das Einrichten eines Email-Kontos sowie das Surfen im Internet. Tamer soll sich später selbstständig über den Arbeits- und Stellenmarkt informieren können. Das von Näf vor sechs Jahren ins Leben gerufene Angebot ist ein Self-Empowerment-Projekt im doppelten Sinne. Näf war einst selber Armutsbetroffener und vermisste ein Angebot zum Erlernen von Computer- Grundkenntnissen, um damit besser gerüstet zu sein für den Arbeitsmarkt. Also machte er sich auf eigene Faust kundig und baute gleich selber das fehlende Angebot auf. Das «Internetcafé Power-Point» startete mit 10 gekauften Computern. Näf bestreitet heute zusammen mit seiner Partnerin den Tagesbetrieb. Fünf Freiwillige helfen in Teilzeit mit. Der Ort wird rege besucht. Das kostenlose Angebot entspricht einem grossen Bedürfnis, pro Jahr nutzen es rund 7000 Menschen.
Sozialpreisverleihung im Progr
Die Verleihung des diesjährigen Sozialpreises ging im Progr, dem Berner Zentrum für Kulturproduktion, über die Bühne. Die beeindruckende Laudatio hielt die Vizedirektorin des Staatssekretariats für Migration, Cornelia Lüthy, selber «Seconda» mit spanischen Wurzeln. Da sie täglich mit Menschen mit Migrationshintergrund zu tun habe, könne sie nur bekräftigen, wie wichtig es sei, dass wir ihnen unsere Hand reichen. Dies sei entscheidend, sodass sie auch wirklich bei uns Fuss fassen könnten.