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Sonderling oder Sonderfall? Der Künstler Egbert Moehsnang

13.04.2022

Er galt zeitlebens als Einzelgänger der Berner Kunstszene der 1950er-Jahre und schuf abseits des Scheinwerferlichts Werke von stoischer Kraft. Doch der Schein trügt, denn der Maler Egbert Moehsnang verdankte der damals turbulenten Berner Kulturszene wesentliche Impulse.

Text: Martin Grassl; Bilder: Burgerbibliothek/zVg

Als Egbert Moehsnang in der Nachkriegszeit aus Bayern/Süddeutschland nach Bern übersiedelte, pflegte er noch eine figürlich geprägte Malerei. Denn der 1927 Geborene hatte in seiner Heimat keinen Kontakt zur Moderne, da avantgardistische Kunst in Nazideutschland verbannt war. Erst in Bern kam Egbert Moehsnang zum ersten Mal mit abstrakter Kunst internationaler Prägung in Berührung, besonders in der damals umtriebigen Kunsthalle Bern unter der Leitung von Arnold Rüdlinger. Diese unverhoffte Entdeckung der Moderne löste im Künstler einen regelrechten Inspirationsschub aus, seine Werke wurden abstrakt. Von 1952 bis 1969 wohnte Egbert Moehsnang im sogenannten Künstlerhaus an der Postgasse 20, wo auch Meret Oppenheim zuhause war oder der amerikanische Schriftsteller Vincent O. Carter, mit dem er sogleich Freundschaft schloss. Egbert Moehsnang entdeckte und erlernte in der Schweiz ebenfalls das aufwendige Kunsthandwerk des Kupferstichs. Diese Disziplin entsprach dem von Beginn weg sehr genau und akribisch arbeitenden Künstler perfekt. Er liess die zuvor angeeigneten abstrakten Ausdrucksformen direkt ins neu gefundene Medium einfliessen. Unter anderem schuf er mehrere Kupferstich-Serien, darunter auch Spielkarten-Sets in jener Technik.

Rückzug aufs Land und Spätwerk
Ende der 1960er-Jahre zog Egbert Moehsnang mit seiner Schweizer Partnerin und deren Kindern aufs Land nach Schüpfen in einen gemeinsam erworbenen Bauernhof, wo er auch sein Atelier einrichtete. Durch die Distanz zu Bern verlor er zunehmend den Kontakt zur florierenden Berner Künstlerszene. Dies mag auch ein Grund sein, weshalb Egbert Moehsnang in der breiten Bevölkerung zeitlebens weniger bekannt und unterschätzt geblieben ist, obwohl er regelmässig in Berner und Schweizer Galerien und Museen, aber auch im Ausland in Einzel- und Gruppenausstellungen präsent war. Im hohen Alter konnte Egbert Moehsnang seine künstlerische Arbeit wegen eines Tremorleidens nicht mehr wie gewohnt fortsetzen. Der Künstler begegnete der schweren Beeinträchtigung, indem er seine Werke fortan am Computer kreierte und markierte so seine letzte Schaffensphase. Zum einen schuf er auf diesem Weg Vorlagen für grossformatige Werke im Tiefdruckverfahren, zum anderen verfremdete der ehemalige Kriegsveteran Egbert Moehsnang Dokumentarfotos aus dem Zweiten Weltkrieg für den Fotodruck und setzte so ein Zeichen gegen den Krieg.

Künstlernachlass in der Burgerbibliothek
Nach der Retrospektive 2003 in der Galerie Kornfeld und zwei Ausstellungen mit grossformatigen Drucken 2007 fand die letzte Ausstellung des Künstlers 2017 in der Berner Galerie SOON statt. Der 90-jährige Künstler verstarb jedoch kurz vor der Vernissage. Der persönliche Nachlass des Künstlers befindet sich heute in der Burgerbibliothek Bern. Es handelt sich grösstenteils um schriftliche Unterlagen wie Projekt- und Ausstellungsdokumentationen, Korrespondenz und persönliche Dokumente sowie unzählige Fotos von Werken und solchen, die den Künstler im Atelier an der Arbeit zeigen. Der Bestand umfasst ebenfalls eine Auswahl an grafischen Originalwerken, sowohl Probe- als auch Auflagendrucke sowie Arbeitsutensilien des Künstlers. Der Nachlass «Egbert Moehsnang» ist demnächst im Online-Archivkatalog der Burgerbibliothek Bern recherchierbar. Das bedeutende Kupferstichwerk Egbert Moehsnangs befindet sich heute unter anderem in der Graphischen Sammlung der ETH Zürich, seine Gemälde befinden sich in verschiedenen Museen und privaten Sammlungen.

Egbert Moehsnang schuf für die Burgergemeinde Bern in der früheren Klosterkirche auf der St. Petersinsel ein Glasfenster. Für die burgerliche Gesellschaft zu Schiffleuten malte er während über zwei Jahren an einem Diptychon. Am Festakt 2000 zur Übergabe des Bildes zählte der Künstler auf, was zur Herstellung des Werks alles nötig war: «zwei bis drei Dutzend Pinsel, ein halbes Hundert oder mehr Schabeklingen, kiloweise Lumpen, drei Spachteln, ein Morgenrock und ein Paar Hosen. Von der Haut nicht zu reden, die ich bei heftigeren Attacken auf das Bild auch etwa liegen liess.»

moehsnang.ch

Literatur über Egbert Moehsnang

  • Die kleine Kupferstich-Passion von Egbert Moehsnang. Mit kunstgeschichtlichen und kunstkritischen Erläuterungen von Kurt Lüthi, Karl Ledergerber, Alfred Scheidegger, Flambert Verlag, Zürich 1967
  • Paul Nizon, MOEHSNANG, Verlag Haupt Bern, Bern 1987
  • MOEHSNANG, Vorwort Paul Nizon, Text Egbert Moehsnang, Verlag Stämpfli, Schüpfen 2003
  • MOEHSNANG, 2003-2007. Die grossformatigen Drucke. MOEHSNANGs grafisches Spätwerk, Vorwort von Matthias Frehner, Bern 2007

Ausstellung

Vom 5. bis am 21. Mai 2022 zeigt das Künstlerhaus Postgasse Bern eine Ausstellung unter dem Titel: «Egbert Moehsnang: In die Abstraktion», mit Werken aus der Zeit der 1950er- und 1960er Jahre.

Nachlass Egbert Moehsnang in der Burgerbibliothek

Sämtliche Unterlagen aus dem Nachlass Egbert Moehsnangs sind erschlossen und können im Online-Archivkatalog der Burgerbibliothek Bern unter N Egbert Moehsnang recherchiert und im Lesesaal eingesehen werden. Damit steht der Künstlernachlass allen Interessierten für weiterführende Nachforschungen zur Verfügung.

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