Social Freezing – den Kinderwunsch auf Eis legen?
und später Mutter werden. Um mehr über «Social Freezing» zu erfahren, führten zwei Expeditionen des Berner Generationenhauses ins Lindenhofspital Bern, wo «Social Freezing» seit rund vier Jahren angeboten wird. Dr. Elisabeth Berger und Embryologin Corinna Quantius beantworteten Fragen dazu.
TEXT: ANDY HOCHSTRSSER; BILD: ZVG
MEDAILLON: Wie funktioniert «Social Freezing»?
ELISABETH BERGER: «Social Freezing» heisst, dass wir Frauen Eizellen entnehmen, diese einfrieren und sie später, wenn der Kinderwunsch konkret wird, mit den Spermien des Mannes befruchten und der Frau einen Embryo einsetzen. Die Eizellen werden der Frau mittels Punktion entnommen. Dieser ambulante Eingriff dauert wenige Minuten, danach erholt sich die Frau kurze Zeit auf unserer Abteilung.
Was Sie tun, klingt total unromantisch.
ELISABETH BERGER: Es ist überhaupt nicht romantisch! (lacht) Das höre ich auch von Paaren immer wieder. Und ich sage dann jeweils: Diesen Teil könnt ihr zu Hause nachholen.
Welche Frauen entscheiden sich zu einem solchen Eingriff?
ELISABETH BERGER: Es sind Frauen mit unterschiedlichsten Berufen. Oft sind sie um die 35 Jahre alt und haben keine feste Beziehung, aber einen grossen Kinderwunsch – und sie wissen, dass die biologische Uhr tickt.
CORINNA QUANTIUS: Momentan sind es bei uns im Lindenhofspital eher wenige Frauen. Die Nachfrage ist aber steigend.
Bis wann entnehmen Sie Eizellen und pflanzen sie wieder ein?
CORINNA QUANTIUS: Wir dürfen vom Gesetz her Eizellen maximal zehn Jahre lang aufbewahren. Am Lindenhofspital haben wir es so geregelt, dass wir Eizellen für «Social Freezing» bis zirka 40-Jährigen entnehmen und ihnen diese als Embryo mit maximal 47 Jahren wieder einpflanzen.
ELISABETH BERGER: Hier geht es auch um das Kindswohl. Eltern müssen ihr Kind bis zur Volljährigkeit begleiten können. Und physisch muss man auch in der Lage sein, eine Schwangerschaft auszutragen.
In anderen Ländern sind die Regeln weniger streng – Frauen können auch mit 50 oder 60 Mutter werden.
CORINNA QUANTIUS: Das liegt ausserhalb unseres ethischen Bereichs und ist nicht unser Ziel. Ich fände es im Gegenteil sehr gut, wenn Frauen sich früher zu diesem Eingriff entschliessen würden. Meist kommen sie mit 35. Mit 30 hätten sie aber bessere und mehr Eizellen.
«Social Freezing» ist ein krasser Eingriff in die Natur.
ELISABETH BERGER: Ja, wir überschreiten damit Grenzen, welche die Natur vorgibt.
CORINNA QUANTIUS: Aber das tut die gesamte Medizin. Sie lotet ständig Grenzen aus, damit wir gesünder sind, Krankheiten überleben und älter werden.
Aber anstatt in die Natur einzugreifen – müssten nicht eher die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verbessert werden, dass man auch mit 25 oder 30 problemlos Kinder haben könnte?
ELISABETH BERGER: Das wäre schön. Aber verändern Sie mal die Gesellschaft! Es braucht Jahrzehnte, bis sich nur etwas Kleines verändert. Und dass alle bezahlbare Kita-Plätze haben und arbeiten können, davon sind wir leider weit entfernt, finde ich.
Dürfen Frauen sich die Eizellen später auf jeden Fall wieder einpflanzen lassen?
ELISABETH BERGER: Nein. Sie müssen in einer eheähnlichen Beziehung sein. Sie können nicht einfach einen Mann oder Spermien zu uns schleppen (lacht). Es gibt Frauen, die grosse Mühe haben, das zu akzeptieren und finden, sie hätten ein Recht auf Kinder. Samenspenden sind in der Schweiz aber nur für verheiratete Paare möglich. Auch hier geht es um das Kindswohl.