Rund um die Uhr ein offenes Ohr
TEXT: PASCAL MATHIS / BILD: zVg
Samuel packt seine Tasche und verabschiedet sich. Es ist 8 Uhr morgens, seine Nachtschicht bei der Dargebotenen Hand geht zu Ende; nebenan hat eine Kollegin bereits den Morgendienst übernommen. Hier, in der Regionalstelle Bern der Dargebotenen Hand, finden Hilfesuchende aus der Region Bern ein offenes Ohr.
Das offene Ohr, das sind in Bern rund 60 freiwillig Mitarbeitende, die das Angebot der Dargebotenen Hand aufrechterhalten. Jeden Tag und jede Nacht, 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag. Was sie zu hören bekommen, ist vielfältig. Einige benötigen einfach jemanden zum Zuhören, andere tragen während Jahren Probleme mit sich herum, wiederum andere denken an Suizid.
Intensive Ausbildung für die freiwillig Mitarbeitenden
Es ist schwere Kost, mit welcher die Freiwilligen bei ihrem Engagement umgehen müssen. Umso wichtiger darum, dass sie für diese Aufgabe gut geschult werden. Die Dargebotene Hand bietet dafür eine eigene Ausbildung an. «Während acht Monaten bereiten wir die Kursteilnehmenden auf ihre Aufgabe vor», erzählt Rita Suppiger, Leiterin der Regionalstelle Bern. Sie alle kommen aus verschiedensten Berufen, «von Psychologinnen, Leuten aus dem Pflegeberuf über Lehrerinnen bis zum ehemaligen Bestatter sind bei uns alle vertreten», sagt Suppiger nicht ohne Stolz. Nach der Ausbildung, welche die Burgergemeinde Bern finanziell unterstützt, gehören für die Freiwilligen auch Weiterbildungskurse, regelmässiger interner Austausch sowie für besondere Fälle ein Pikettdienst dazu.
An Bewerberinnen und Bewerbern mangle es bei der Regionalstelle Bern glücklicherweise nicht, sagt Rita Suppiger. Von jährlich rund 40 Interessierten werden letztlich 8 bis 10 ausgewählt, welche die Ausbildung absolvieren. «Das schätzen wir sehr: Eine gute Auswahl der Leute ist wichtig, damit auch möglichst jede und jeder der Belastung Stand hält.»
Anonymität auf beiden Seiten
Die Sorgen der Hilfesuchenden sind nicht immer gleich. Wetterumschwünge haben etwa einen Einfluss darauf, sagt Rita Suppiger. «Den Vollmond ‚spüren‘ wir beispielsweise bei uns.» Jetzt in der Adventszeit nähmen Anrufe jener zu, die Angehörige verloren haben oder die Probleme innerhalb ihrer Familie plagen. Und auch im Juli gibt es mehr Anrufe als normal. «Viele Leute meinen, es müsste ihnen besser gehen, weil Sommer ist und es anderen deswegen auch besser geht.»
Oberstes Gebot der Dargebotenen Hand ist die Anonymität für die Anruferinnen und Anrufer. Ebenso bleiben aber auch die Freiwilligen am Telefon oder im Chatroom anonym. «Sie sollen nicht zu einer Bezugsperson werden», erklärt Rita Suppiger. «Hauptsache, es ist immer jemand da – zu jeder Tageszeit.» Schweizweit rund 180‘000 Mal im Jahr. Oder einmal alle 3 Minuten. Ganz egal, ob es Samuel ist, der zuhört, oder jemand anderes.
• Weitere Informationen (inkl. Spendemöglichkeit): www.bern.143.ch
• Für Hilfesuchende: Telefonnummer 143 oder per Chat resp. E-Mail: www.143.ch