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Soziale Gaming Lounge bis Kunst gegen Tabus

21.03.2022

Eine neue Gaming-Lounge im Zeichen des sozialen Austauschs sowie ein Catering-Unternehmen, das weitgehend Zutaten aus der Region verwendet: Dafür wurden «Erupt» respektive «restolike» ein Hauptpreis des diesjährigen Prix Effort, der Projekte engagierter junger Menschen aus dem Kanton Bern auszeichnet, verliehen. Der Förderpreis ging an den diskriminierungsfreien Safer-Space «café révolution», Anerkennungspreise erhielten die Vulveria für ihre enttabuisierenden Kunstwerke sowie Colour of Rice für ihr träumerisches Singer-Songwriting.

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TEXT: MARTIN GRASSL; BILDER: ZVG

Das Wasserspiel in der Mitte der Lounge verleiht dem Raum einen Hauch Piazza-Ambiance. Dazu passt die Bistro-Bar samt Espressomaschine und Getränkeausschank in der Eingangsecke. «Hier ist das zentrale Wohnzimmer zum Chillen und für Couch-Games», erklärt Millennial Dario Kvasnicka, Geschäftsführer von «Erupt», auf dem Rundgang durch die neue Gamer-Location über dem Hauptbahnhof Bern. Neben zwei abgeschlossenen Lounges mit Hochleistungs-PCs für E-Sportler gibt es auch eine Zone für Brett- und Sammelkartenspiele. Wer in Bern eine grosse Leidenschaft für Games hat, ist hier gut aufgehoben. Vor anderthalb Jahren haben Dario Kvasnicka und sein Kernteam den Raum über dem Bahnhof-Parking direkt unter der grossen Schanze übernommen. Nach einer Umbauphase ist ein sympathischer Ort der Begegnung und des Austauschs für Gaming-Angefressene entstanden.

«Vor dreieinhalb Jahren haben wir im privaten Kollegenkreis einmal im selben Raum gegamt», erzählt Dario Kvasnicka, wie es zur Initiative gekommen ist, «danach haben wir uns nicht wie üblich ausgeloggt, sondern zusammen noch etwas zusammen gegessen und geplaudert. Aus dem Gamen heraus entstand sogleich eine ansteckende, soziale Dynamik. Die Idee, in Bern einen Ort für gemeinsames Gamen zu schaffen, war geboren.» «Erupt» ist in der Schweiz fast einmalig, seit der Inbetriebnahme letzten Sommer haben nebst den Stammgästen aus Bern und Umgebung auch schon Gamer aus der Romandie oder Zürich hierher gefunden. «Die Vorbilder für unser Konzept finden sich eigentlich in der dritten Welt», klärt Dario Kvasnicka auf, «dort sind es auf Gamer ausgerichtete Internet-Cafés, die ihnen die privat nicht vorhandene Hardwareinfrastruktur bereitstellen. In der Schweiz dagegen ist diese zuhause meist vorhanden. Dafür besteht hierzulande beim Gamen die Gefahr des Abdriftens in eine Parallelwelt, soziale Isolierung sowie Spielsucht drohen. Deshalb steht bei uns das gemeinsame Spielen und Erleben besonders im Fokus.»

Dario Kvasnicka hat noch die Zeiten ohne Handy erlebt, die folgenden Generationen kennen dagegen praktisch nur noch den digitalen Medienkonsum, ihre ersten Games spielen sie auf dem eigenen Handy. Aus diesem Grund zielt «Erupt» nicht nur auf ihre Hauptklientel der 20- bis 40-Jährigen, sondern will besonders auch die 8- bis 15-Jährigen abholen. Spezielle Workshops zum Thema Gamen und Suchtverhalten richten sich dabei an überforderte Eltern und die Lehrerschaft. «Die ganz Jungen stossen von allein auf uns», berichtet Dario Kvasnicka, «oft wollen sie noch etwas zusammen mit ihren Schulkollegen unternehmen, unser breites Angebot passt dabei perfekt. Überhaupt richten wir uns nicht nur an Nerds, bei uns sind alle willkommen. Wir organisieren auch Pub-Quiz, Mario-Kart-Events und Just Dance.» Nach dem Frauenanteil unter den Besuchenden befragt, antwortet Dario Kvasnicka: «Der männliche Anteil an unserer Hauptklientel ist höher, Gamen ist in dieser Generation für Frauen noch eher uncool. Bei den 12-Jährigen hingegen herrscht Gleichstand zwischen den Geschlechtern. Trotzdem lancieren wir demnächst eine Veranstaltungsreihe ‹Gaming is for Girls›.» «Erupt» wird für ihr Engagement mit dem Hauptpreis des Prix Effort ausgezeichnet.

Lokales, nachhaltiges Fooderlebnis
Die beiden gelernten Köche Fabian Schärer und Remo Knörr absolvierten vor vier Jahren zufällig ihre Rekrutenschule in derselben Feldküche. Hieraus erwuchs eine anhaltende Freundschaft, die vor einem Jahr zur Gründung ihres Gastro-Startups «restolike» führte. Der gelernte Koch Moritz Locher stiess später hinzu. «Wir arbeiteten damals alle drei noch in einem Angestelltenverhältnis. An einem gemeinsamen privaten Abend kam uns die Idee, ein eigenes Catering aufzuziehen», erklärt Fabian Schärer, «wir haben uns dabei eine konsequent nachhaltige Beschaffung der Lebensmittel auf die Fahne geschrieben.» Entsprechend stammen fast alle Zutaten aus dem Kanton Bern, weitgehend von bio-zertifizierten Lieferanten. Als Vorbild dient dem jungen Trio unter anderem der erfolgreiche Schweizer Starkoch Daniel Humm. «Uns inspiriert insbesondere seine konsequente Haltung, mit der er in einem von ihm geführten Sterne-Restaurant ausschliesslich auf vegane Gerichte setzt, obwohl wir auch Fleisch und Fisch in unserem Angebot haben», führt Fabian Schärer aus. Konsequenterweise findet auch selber Gesammeltes aus dem Bremgartenwald den Weg auf die Teller der Gastronomen, etwa Sauerklee und andere Wildkräuter, Holunderblüten oder Pilze.

Über ein Jahr nun sind die drei als Unternehmen unterwegs, seither ging es Schlag auf Schlag. Im April übernahm das in Hindelbank ansässige Trio zudem das Raiffeisen-Stadtcafé mitten in Burgdorf. «Auch hier setzen wir auf nachhaltige Warenkreisläufe», betont Fabian Schärer, «so kommt nur auf den Teller, was unsere beiden regionalen Gemüsebauern jede Woche feldfrisch liefern können.» Am Mittag kann zwischen zwei Tagestellern inklusive Salat gewählt werden. Am Abend stehen über ein Dutzend Kleingerichte im Angebot, die im Tapas-Stil zum Teilen serviert werden. Doch nicht nur das Stadtcafé dient «restolike» als «Showroom», die Gastronomen werden im Sommer an mehreren Festivals anzutreffen sein, so am «Summer Now» und «Lakelive Festival» in Nidau sowie am «Royal Arena Festival» in Orpund. Wer die kulinarischen Gerichte aus der Region privat geniessen will, kann sich auf die neu lancierte Grilloder Brunchbox freuen. «restolike» erhielt für ihr Projekt ebenfalls einen Hauptpreis.

Sicherer Hafen
«café révolution» heisst ein sogenannter Safer Spacein Bern. Er wurde 2020 ins Leben gerufen und bietet Schwarzen Frauen und Personen einen sicheren Ort zum Rückzug und Austausch. Tara Ismael Disasi vom «café révolution»-Kollektiv erklärt: «Nach den Black-Lives-Matter-Protesten 2020 regte sich in mir der Wunsch, einen Ort für Solidarität, Schwesternschaft, Verständnis und der Ruhe zu schaffen.» Mitstreiterin Gloria Peña ergänzt: «Es gibt viele Vorbilder, die mir die ganze Zeit über in Erinnerung rufen, warum es sich lohnt, aktiv und laut zu sein.» Der Raum von «café révolution» befindet sich im Berner Progr und ist für Schwarze und Schwarzgelesene Frauen und Personen ein sicherer Hafen, wo sie unbeschwert untereinander sein können. Tara Ismael Disasi führt aus: «Der Begriff ‹Schwarzgelesen› verdeutlicht, dass sich die Betroffenen nicht zwingend als Schwarz definieren, sondern dass es sich dabei um eine Zuschreibung von aussen handelt, mit oft negativ prägenden Folgen.»

Nach ihrer Vision befragt, antwortet Gloria Peña: «Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft realisiert, dass nicht alle von Geburt dieselben Startbedingungen mitbekommen haben.» Tara Ismael Disasi fügt hinzu: «In meiner Real-Utopie möchte ich in einer Gesellschaft leben, die weniger von Dominanzverhältnissen geprägt ist. Ich glaube, mit ‹café révolution› können wir einen wichtigen Beitrag dazu leisten, denn sozialer Wandel und eine gesamtgesellschaftliche Veränderung vollzieht sich immer auch als ‹Bottomup-Bewegung›.» Für sein Engagement wurde «café révolution» mit einem Förderpreis prämiert.

Tabus bekämpfen und träumerische Songs
«Scham ist destruktiv. Man denke nur schon an medizinische Konsultationen, die aus Scham heraus vermieden werden», betont die 27-jährige Dunja Kobel im Zusammenhang mit ihrem Projekt Vulveria. Unter diesem Namen kreiert sie Vulven in verschiedenen Formen, Farben und Materialien, die sie über Etsy verkauft. Der künstlerische Zugang zu den Themen Scham, Sexualität, Vulven und Menstruation hilft, diese auf spielerische Art zu enttabuisieren. Mit speziellen Workshops möchte Dunja Kobel zudem auf diesem Gebiet sensibilisieren.

Die Singer-Songwriterin Rani Bruggmann aus Sonvilier im Berner Jura tritt unter dem Namen «Colour Of Rice» auf. Mit ihren selbst geschriebenen, introvertierten Songs ist sie bisher schon in der ganzen Schweiz aufgetreten, mitunter an grossen Festivals. Beide Projekte wurden mit einem Anerkennungspreis honoriert.

erupt.ch
restolike.ch
caferevolution.ch
instagram.com/vulveria

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