TEXT: PASCAL MATHIS; BILDER: CAROLINA PIASECKI / PASCAL MATHIS
Julian und Nils staunen zuerst nur und klatschen sich dann ab: Soeben haben sie ihre erste Rottanne gefällt. Zuvor schufteten sie gemeinsam mit einer Handsäge und bereiteten die Aktion – stets unter Anleitung von Profis – vor. Mit einer Seilwinde hat ein Forstwart den Baum dann umgezogen. Die Freude steht allen ins Gesicht geschrieben.
Die beiden Jugendlichen sind Teil einer Schulklasse, die fünf Tage lang im Wald hoch über Habkern Einsätze für die Stiftung Bildungswerkstatt Bergwald leistet. Die Projektwoche bietet den Neuntklässlerinnen und Neuntklässlern Erlebnisse mitten in der Natur: Sie packen an, arbeiten mit Axt und Säge und lernen vor Ort Zusammenhänge kennen.
Einsätze, die zusammenschweissen
Das Lernen ist mit dem Fällen des Baums – der im Vorfeld von einem Profi gekennzeichnet wurde – nicht zu Ende: Maik Despang, Förster und Gruppenleiter bei der Bildungswerkstatt Bergwald, schart alle Jugendlichen um sich und erklärt am Baumstrunk, was das frisch geschnittene Holz über die Rottanne alles verrät. Alle hören gebannt zu. Dass eigentlich längst schon Mittagspause wäre, ist vergessen.
Gleich daneben steht Kaspar Zürcher, Geschäftsführer der Stiftung Bildungswerkstatt Bergwald. Wie Julian und Nils strahlt auch er: «Es ist jedes Mal schön zu sehen, mit welchem Engagement sich Jugendliche im Bergwald einsetzen.» Die Schülerinnen und Schüler lernen viel in solchen Projektwochen, so Zürcher, der beim Besuch vor Ort ebenso mit anpackt und jedes Jahr selbst einige Waldprojektwochen leitet. «Klar gibt es solche, die wenig begeistert in den Bergwald kommen.» Doch meist ändere sich das während des Einsatzes. Und vor allem schweisse die Arbeit im Team zusammen. Dieser soziale Aspekt ist ein weiteres Ziel solcher Projektwochen.
Körperliche Arbeit anstatt Schulalltag
Einige hundert Meter davon entfernt ist ein anderer Teil der Klasse im Einsatz. Bei zwei Gräben wütete im vergangenen Juli ein Unwetter und verschüttete einen Übergang für das Vieh. Mit Pickel, Schaufel und Hebeisen machen die Jugendlichen diesen Weg nun wieder frei: Sie lösen Felsbrocken und schaufeln Geröll weg. Schwerarbeit, doch niemand murrt. «Die Arbeit macht Spass», sagt Azem, «aber sie ist streng.» Und Fabienne gibt offen zu, dass sie die Arbeit im Bergwald unterschätzt habe. Sie möge die Projektwoche sehr, «aber ich könnte das nicht immer…»
Vor Ort betreut Stephan Zürcher an diesem Herbsttag die Gruppe. Er – einst Sozialpädagoge und nun Wanderleiter – betreut für die Stiftung während rund fünf Wochen pro Jahr solche Bergwald-Einsätze. Er findet es spannend, den Jugendlichen die Arbeit im Wald zu vermitteln. «Sie bedienen Werkzeuge, die neu für sie sind. Die Fortschritte, die sie dabei machen, sind beeindruckend.» Sagt‘s, greift wieder zur Schaufel und wirkt zufrieden. Wie eigentlich alle an diesem Tag im Bergwald hoch über Habkern.