Neuer Glanz für ein Bijou
TEXT: PASCAL MATHIS / TITELBILD: zVg
Mal angenommen, ein Haus könnte wie wir Menschen Geschichten erzählen, das Wohngebäude an der Herrengasse 23 in Bern hätte viele Anekdoten auf Lager. Sehr viele sogar. Die Anfänge des von-Wattenwyl-Hauses gleich unterhalb des «Casino Bern» reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Stets war es bewohnt, oft wurde es umgestaltet, es repräsentiert verschiedene Baustile und sowieso änderte sich seine Umgebung im Laufe der Zeit deutlich. Und nun wird sich bald ein weiteres Kapitel öffnen: 2020 steht eine umfassende und unumgängliche Gesamtsanierung an.
Das geschieht im Innern…
Die letzte Innensanierung war zu Beginn der 1980er-Jahre. In den Nuller-Jahren ersetzte eine Gasanlage die veraltete Ölheizung, vor zehn Jahren wurden dann unter anderem am Dach einige Arbeiten ausgeführt. Und nun folgt eben die grosse Sanierung:
• Die drei 7 ½-Zimmer-Wohnungen erhalten eine zusätzliche Nasszelle, was den heutigen Anforderungen an ein Zuhause dieser Grösse entspricht.
• Zwei der erwähnten Wohnungen (1. und 2. Stock) erhalten neu einen Balkon.
• Im Erdgeschoss wird die bestehende 1 ½-Zimmer-Wohnung abgetrennt, während im 3. Stock zusätzlicher Wohnraum entsteht – konkret zwei 2 ½-Zimmer-Wohnungen und drei Mansarden.
• Ein Grossteil der Fenster wird ersetzt. Dadurch und auch dank einer neuen Decke des Dachgeschosses verbessert sich die Wärmedämmung, der Energieverbrauch sinkt.
• Die komplette Haustechnik wird erneuert, damit sie heutigen Normen und Gesetzen entspricht. Dazu gehört auch eine moderne Brandmeldeanlage nach dem Prinzip von Casa Segura. Teile davon werden aus Sicherheitsgründen bereits während der Bauphase eingebaut.
…und das ändert sich draussen
Auch die Umgebung des von-Wattenwyl-Hauses erhält eine Aufwertung:
• Die Treppen und Sandsteinmauern werden saniert, und die Absturzsicherung gemäss heutigen Normen wiederhergestellt.
• Die sog. Spalierdächer der Mauern werden anhand historischer Aufnahmen neu erstellt. Dies schützt den Sandstein besser vor Verwitterung und Vandalismus.
• Im Bereich der Gärtnerei werden die Gewächshäuser und Unterstände auf ein historisch vertretbares Mass zurückgebaut und instand gestellt.
Blumengärtnerei in Planung einbezogen
Mit der «Blumengärtnerei Ellenberger & Fuhrimann» ist auch ein Gewerbebetrieb direkt von der Sanierung betroffen. Die Burgergemeinde Bern als Bauherrin hat die Inhaberinnen frühzeitig in die Planung involviert, damit der Betrieb auch während des Umbaus möglichst gut weiterlaufen kann. «Uns war wichtig, dass die Pflanzflächen soweit wie nur möglich erhalten werden und das Blumengeschäft auch nach der Sanierung an diesem Standort weiterbetrieben werden kann», betont Reto Wirz, zuständiger Projektleiter bei der Burgergemeinde Bern. Er ist sich der Verantwortung und Tradition bewusst. Denn immerhin ist die Blumengärtnerei nicht irgendein Betrieb in der Herrengasse, sondern einer, der seit 70 Jahren besteht.
Es ist naheliegend, dass auch die Mieterinnen und Mieter der Wohnungen vom Umbau betroffen sind. Auch sie erfuhren frühzeitig von den Plänen – und auch, dass sie während der Bauphase ausziehen müssen. «Eine solch umfassende Sanierung mit Eingriffen in alle Räume inklusive Rückbau von Küchen, Bädern sowie Wand- und Bodenbelägen machen eine Sanierung im bewohnten Zustand leider unmöglich», erklärt Reto Wirz. Die bisherigen Bewohnerinnen und Bewohner erhalten aber ein Vorrecht, nach den Arbeiten «ihre» Wohnungen wieder mieten zu können.
Sanierung dauert rund ein Jahr
Das von-Wattenwyl-Haus (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Haus an der Junkerngasse) gilt als historisch ausserordentlich wertvoll, seine Geschichte reicht bis ins Spätmittelalter zurück. Spätestens um 1600 wurden an dieser Adresse mehrere Häuser zusammengeschlossen. Auf einem Plan aus dem Jahr 1607 zeigt sich die Liegenschaft als stolzes spätgotisches Kopfhaus mit geräumiger Terrasse zur Aarehalde. Seit 1954 gehört die Liegenschaft der Burgergemeinde Bern, die das Haus mitten im UNESCO-Weltkulturerbe nun behutsam und umfassend sanieren lässt. Die Arbeiten, in welche die städtische Denkmalpflege involviert ist, starten am kommenden 6. Januar. Die Kosten betragen rund 7,4 Millionen Franken, welche die Burgergemeinde Bern trägt. Der Abschluss der Arbeiten ist für Ende 2020/Anfang 2021 geplant.