«Multaka»: Menschen mit Fluchterfahrung führen durch das Bernische Historische Museum
Syam Yousufa aus Afghanistan während einer Führung
TEXT: ALINE MINDER; BILD: CHRISTINE MOOR/BERNISCHES HISTORISCHES MUSEUM
Welche Geschichten verbergen sich hinter den Objekten des Bernischen Historischen Museums und wie können wir Gegenwartsbezüge herstellen? Wie gelingt es uns, Bekanntes neu zu betrachten oder uns dem «Fremden» anzunähern? Mit Fragen wie diesen führen fünf Guides aus verschiedenen Nationen mit Fluchterfahrung durch ausgewählte Bereiche der Dauerausstellungen. «Multaka» bedeutet auf Arabisch sinngemäss «Treffpunkt». Das Museum wird zu einem Ort, an dem sich die Wege von Menschen mit unterschiedlichen Lebensgeschichten kreuzen, Dialoge entstehen und verschiedene Orte miteinander sowie die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpft werden.
«Multaka. Geflüchtete zeigen das Museum» ist ein gemeinsames Projekt des Bernischen Historischen Museums und vom Verein Multaka Bern und in der Schweizer Museumslandschaft derzeit einmalig. Das Projektteam hat während rund sechs Monaten fünf Personen zu Museumsguides ausgebildet und mit ihnen fünf individuelle Spaziergänge durch das Museum erarbeitet. Ziele des Projekts sind die kulturelle Teilhabe von Geflüchteten, deren Ressourcenförderung sowie ihre Integration durch Begegnung und interkulturellen Austausch mit der Bevölkerung. Die kulturell unterschiedlich geprägten Blickwinkel und persönlichen Erfahrungen der Multaka-Guides erweitern zudem das Spektrum der Vermittlungskompetenz im Museum. Als Vertreter sogenannter «Source Communities» richten sie ihren eigenen Blick auf die aussereuropäischen Sammlungen und vermitteln dem Publikum alternative Lesarten auf zugängliche Art und Weise. Diese Multiperspektivität führt auch zu einer neuen Auseinandersetzung mit Schweizer Geschichte und Kultur. In Berlin existiert seit 2015 das erfolgreiche Format «Multaka. Treffpunkt Museum», welches dem Berner Projekt Pate stand.
Jeder der 60-minütigen Spaziergänge wird durch die Lebensgeschichte und Persönlichkeit des jeweiligen Guides sowie durch die Auswahl der gezeigten Museumsobjekte geprägt. Der Austausch mit dem Publikum während der Spaziergänge ist explizit erwünscht. So trägt auch die Zusammensetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu bei, dass sich während jedes Spaziergangs eine eigene Dynamik entwickelt und ein spezieller Austausch stattfindet. Die Multaka-Guides sind zwischen 23 und 43 Jahre alt, haben vor ihrer Flucht als Kunstmalerin, Maurer und Archäologe gearbeitet oder befanden sich noch in Ausbildung.