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Reden über die Kunst des Dialogs

Bernhard Pörksen bei seiner «Rede zur Lage der Generationen» im Berner Generationenhaus

21.10.2020

Hass, Hetze und Gerüchte verbreiten sich rasend schnell. Öffentliche Debatten eskalieren zum giftigen Streit. Wie kann das Miteinander-Reden dennoch gelingen? Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen sprach über die Kunst des Dialogs im digitalen Zeitalter – in seiner «Rede zur Lage der Generationen» im Berner Generationenhaus und in einem Interview mit SRF.

TEXT: aufgezeichet von ANDY HOCHSTRASSER; BILD: BERNER GENERATIONENHAUS
(Auszug aus dem «Tagesgespräch von Radio SRF» vom 11. September 2020)

Herr Pörksen, durch die wissenschaftliche Brille betrachtet erleben Sie derzeit wohl eine der spannendsten Zeiten Ihrer Karriere…
BERNHARD PÖRKSEN: Sie haben völlig recht. Wir haben eine laufende Medienrevolution, vergleichbar mit der Erfindung der Schrift oder des Buchdrucks, wann erlebt man das schon mal. Und natürlich haben wir in Zeiten dieser furchtbaren Pandemie ein Novum: Menschen zentrieren sich weltweit um ein einziges Thema. Das hat es so noch nicht gegeben.

Sie schreiben in Ihrem neusten Buch «Die Kunst des Miteinander-Redens. Über den Dialog in Gesellschaft und Politik» vom Dilemma zwischen Mensch und Meinung. Was meinen Sie damit?
Wenn man die Kommunikation ruinieren will, verteufelt man den anderen total. Man sagt nicht nur, seine Meinung verdient es, angegriffen zu werden, sondern die Person selbst. Und dann reden wir vom kriminellen Flüchtling, der hysterischen Feministin oder wahrscheinlich dem langsamen Schweizer, um irgendein blödsinniges Klischee aufzugreifen. Auch den Begriff «Verschwörungstheoretiker» kann man natürlich diffamieren. Das erste Gebot zur Entgiftung von Kommunikation lautet also: Du sollst nicht vorschnell generalisieren.

In der Hitze des Gefechts sind solche Urteile aber schnell gefällt und ausgesprochen. Müssten wir alle also am besten fünf Minuten durchatmen, bevor wir auf Twitter eine Antwort schreiben?
Fünf Minuten sind ja schon viel in diesen Zeiten (lacht). Manchmal reicht es auch, zwei Atemzüge zu nehmen, bevor man etwas teilt und in höchster Aufregung reagiert. Denn auch Geschwindigkeit ist ein Eskalationsmittel. Man reagiert sofort, die andere Seite auch, und so entsteht im Extremfall ein Teufelskreis wechselseitiger Abwertung.

Müssen wir akzeptieren, dass die sozialen Medien unsere Art, wie wir miteinander umgehen, vergiftet haben?
So hart würde ich nicht argumentieren. Es gibt Teile der gesellschaftlichen Kommunikation, die durch die sozialen Netzwerke in Mitleidenschaft gezogen wurden. Aber nach wie vor sind sie auch wunderbare Instrumente, um über Zeit- und Raumgrenzen hinweg Kontakt zu halten, die Beziehung zu Freunden, die gerade nicht da sind, auf einfache Weise zu bestätigen. Wir müssen versuchen, die guten Seiten zu nutzen und Fehlentwicklungen zu marginalisieren. Das ist eine gigantische Medienbildungsaufgabe.

Wir haben darüber gesprochen, was alles schief laufen kann in der Kommunikation. Aber wie kommen wir da wieder raus? Wie sieht für Sie ein gutes Gespräch aus?
Es lebt vom Gedanken: Der andere könnte recht haben. Und davon, dass man ein wirklich gemeinsames Thema hat und Lust an der Debatte. Wer den anderen nur argumentativ über den Tisch ziehen will, führt kein echtes Gespräch, sondern einen Machtkampf, da geht es um Sieg oder Niederlage, aber nicht um die gemeinsame Entdeckung von Wahrheit oder von dem, was wir Wahrheit nennen. Man darf sich auch mal streiten – aber immer auf Basis einer grundsätzlichen Wertschätzung.

abgelegt unter: Bildung, Berner Generationenhaus

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