Die erste Tierparkdirektorin Europas
«Tiere, meine täglichen Gefährten»: die frühere Direktorin des Tierparks Dählhölzli, Monika Meyer-Holzapfel
TEXT: LIVIA SANDRI; BILD: EUGEN THIERSTEIN
Geprägt durch ein künstlerisch-intellektuelles Elternhaus, verfolgte Monika Meyer-Holzapfel zeitlebens ihre vielfältigen Interessen. Bis zu ihrer Einbürgerung 1935 war sie polnische Staatsbürgerin und beherrschte neben der deutschen auch die polnische Sprache. Sie begann bereits sehr früh, Texte zu schreiben, und engagierte sich als Jugendliche in verschiedenen nationalen und internationalen Vereinen und Jugendbewegungen, die sich insbesondere für Frieden einsetzten. Nach Abschluss ihres Studiums der Zoologie, Botanik, Geologie und Mineralogie an den Universitäten Bern und München und der Promotion mit summa cum laude 1933 arbeitete sie als Assistentin am Zoologischen Institut der Universität Bern. Ihr Mentor Fritz Baltzer erkannte ihr Potential und empfahl sie, als 1944 die Direktionsstelle für den Tierpark Dählhölzli ausgeschrieben wurde. Monika Meyer-Holzapfel setzte sich gegen ihre männlichen Mitbewerber durch und wurde die erste Tierparkdirektorin Europas.
Unter ihrer Leitung wuchs die Artenvielfalt im Vivarium, und es kamen Tierarten wie Luchs, Wolf und Wisent hinzu. Zeitgleich unterrichtete sie als Privatdozentin und ab 1954 als Honorarprofessorin für Tierpsychologie (heute Ethologie oder Verhaltensbiologie), Verhaltensforschung und Biologie der Tiere an der Universität Bern. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit war die Erforschung von haltungsbedingten Verhaltensstörungen insbesondere von Tieren in Zoos. Sie befasste sich auch mit Spiel- und Territorialverhalten und nutzte dazu unter anderem Beobachtungen, die sie bei den Bären im Bärengraben machen konnte. Sie forschte und publizierte bis ins hohe Alter und setzte sich auch für die Wiederansiedelung ausgerotteter Tierarten in der Schweiz ein. Sie war Mitglied in der «International Union of Directors of Zoological Gardens» und stand in regem Austausch mit Kolleginnen und Kollegen im Ausland sowie namhaften Forscherinnen und Forschern auf dem Gebiet der Verhaltensbiologie. 1988 wurde ihre Leistung in der Forschung mit einem Ehrendoktorat der Universität Hamburg gewürdigt.
Neben ihrer Tätigkeit als Forscherin schrieb sie Gedichte, betätigte sich als Herausgeberin von Texten von ihren und über ihre Eltern und publizierte Geschichten aus dem Tierpark. Mit «Tiere, meine täglichen Gefährten» (1966) sowie «Tierpark kleine Heimat» (1968) entstanden zwei schöne Publikationen, die den Besucherinnen und Besuchern Einblick in das Leben der Zootiere boten und zeigten, mit welcher Leidenschaft sich Monika Meyer-Holzapfel den Tieren widmete. Sie schrieb in der Einleitung zu «Tiere, meine täglichen Gefährten»: «Nur wenn ich selber lebende Tiere kennenlernte, einen Bären im Zoo, eine junge Eule, eine Kreuzspinne in ihrem Radnetz, dann packte mich die Neugier, und ich war gespannt, wie sie sich verhalten würden.»
Der Nachlass bietet einen facettenreichen Einblick in Monika Meyer-Holzapfels Leben. Er enthält Hefte aus Schul- und Universitätszeit, in denen kunstvolle anatomische Zeichnungen zu finden sind, Korrespondenz mit Familie, Freunden und Forschungskollegen aus aller Welt sowie Manuskripte ihrer zahlreichen wissenschaftlichen und literarischen Publikationen. Er enthält weiter Fotografien aus ihrer Kindheit und Jugend, ihrer Zeit an der Universität und im Tierpark, von Fachkonferenzen sowie Preisverleihungen. Der Einblick in Monika Meyer-Holzapfels spannendes Leben lohnt sich.