Kulturpreis 2015
TEXT: MARTIN GRASSL; BILDER: MIKE ISLER UND MARTIN GRASSL
Es kommt sehr selten vor, dass Kulturpreisempfänger das Rahmenprogramm des Festakts gleich selber bestreiten. Burgergemeindepräsident Rolf Dähler kündigte nach seiner Publikumsbegrüssung «Bern ist überall» als Preisträger an, bei welchem sich das Engagement eines begleitenden kulturellen Acts von vornherein erübrigte. Kulturkommissionspräsident Georg Pulver übernahm darauf die Ansage von Laurence Boissier, Arno Camenisch, Stefanie Grob, Antoine Jaccoud, Guy Krneta, Pedro Lenz, Gerhard Meister, Noëlle Revaz, Michael Stauffer, Beat Sterchi und Ariane von Graffenried als «wesentliche Akteure der aktuellen hiesigen Literaturszene».
Kraftvolles Sprachkonzert
Die nachfolgende knappe Stunde des Abends überzeugte das gesamte anwesende Publikum sogleich davon, dass die Kulturkommission mit den auftretenden Künstlerinnen und Künstlern ein grossartige Wahl getroffen hatte: «Bern ist überall» zog das Publikum vom ersten Ton an in ihren Bann. Das Ensemble wird denn auch treffend als erste Band der Schweizer Literaturgeschichte tituliert. Dafür sorgt das ausgebuffte Quartett mit Adi Blum, Christian Brantschen, Michael Pfeuti und Maru Rieben an zwei Akkordeons, Cello und Schlagzeug, welches die expressiven Lesungen der elf Literatinnen und Literaten erst zum theatralischen Erlebnis macht. Und die sich überstürzenden Reden, Ausbrüche, Litaneien und Nörgeleien, auf berndeutsch, französisch oder in anverwandten Dialekten wuchsen sich zu einer bodenständigen Sprachsymphonie aus. Das stündige Set erntete stürmischen Applaus.
Lobgesang auf Mani Matters Erben mit humorvollem Finale
Danach hielt Reto Sorg, Leiter des Robert Walser-Zentrums in Bern, seine ausführliche Laudatio, welcher er die denkwürdigen ersten Zeilen des Gründungsmanifests von «Bern ist überall» aus dem Jahr 2003 voranstellte: «Sprache ist ÜBERALL. Unsere Sprache heisst ÜBERALL. Wir sprechen ÜBERALL. Wir schreiben ÜBERALL. / ÜBERALL ist unsere Sprache, die uns nicht gehört. Wir haben sie uns angeeignet, um durch sie zugehörig zu werden. Es gibt keine eigenen und fremden Sprachen. Alle Sprachen sind Fremdsprachen. / ÜBERALL wird hier und heute gesprochen. Wir bekennen uns zum Hier und Heute. Wir bekennen uns zum ÜBERALL.» Reto Sorg würdigte das Wirken von «Bern ist überall» als Weiterführung des Schaffens so verschiedener Persönlichkeiten wie Mani Matter, Kurt Marti, Robert Walser, Jeremias Gotthelf, Otto von Greyerz, Rudolf von Tavel, Simon Gfeller, C. A. Loosli, Ernst Eggimann, Franz Hohler, Polo Hofer, Martin Frank, Timmermahn, Kuno Lauener oder Endo Anaconda. Zum Schluss quittierten alle Autorinnen und Autoren den Preis mit humorvollen Varianten des Wortes «Danke», begleitet von ebenso vielfältigen Tuschs der Band.
Laudatio für «Bern ist überall»
Rede im Original, gehalten von Reto Sorg, Leiter des Rober Walser-Zentrums in Bern
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laudatio fuer bern ist ueberall |