Reif für die Insel? Nicht ohne Wein!

Winzer Hubert Louis mit Anna Petrig (l) und und Manoah Devaux (r)
TEXT UND BILD: MARTIN GRASSL
Winzer Hubert Louis holt den Schreibenden im Transporter am Bahnhof von La Neuveville am Bielerseeufer ab. Die Fahrt geht Richtung Erlach und St. Petersinsel, vorbei an der alten Kellerei von La Neuveville, wo früher auch der Inselwein gekeltert wurde. Die heutige Kellerei befindet sich auf dem Weingut der Stadt Bern am Dorfrand, wo Hubert hauptsächlich tätig ist. Die Parzelle auf der Insel ist auch für ihn ein besonderer Aussenposten.
Das Gespräch mit dem leutseligen Romand Hubert dreht sich sogleich um Wein und die Neuerungen in seinen Rebbergen. «Was ich vor 30 Jahren in der Önologieausbildung gelernt habe, kann man heute bezüglich Einsatz von Chemie vergessen. Die schrittweise Umstellung auf Bio ist auch bei uns schon länger im Gang. Auf Insektizide verzichten wir seit 20 Jahren, auf Herbizide nahezu, auch im Keller wird der Schwefel weitgehend durch entsprechend wirksame Hefen ersetzt.» Mittlerweile passieren wir den kilometerlangen Heideweg, der von Erlach aus bis zum Ende der Halbinsel führt, wo sich der Weinberg befindet. Im Gras recken ruhende Wildgänse ihre Hälse in unsere Richtung. Die Insel ist Naturschutzgebiet und Ruheort zahlreicher besonderer Vogelarten auf der Durchreise. «Im Herbst fallen die Vögel in Scharen über die reifen Trauben her», erzählt Hubert lachend, «wir schützen die Rebstöcke mit speziellen Netzen, in denen sie sich nicht verheddern können.» Da die Insel Naturschutzgebiet ist, sind Vögel und andere Wildtiere viel ungestörter und besuchen auch die Rebpflanzungen öfter als entlang des verkehrsreichen Bielerseeufers.
Wir kommen am Ende der Insel beim Klosterhotel an, steigen aus dem Wagen und betreten den Rebberg nebenan, der sich über eine Hangkuppe ausbreitet. Begünstigt vom südöstlichen Sonnenschein, gedeihen hier sieben Traubensorten. Zwischen den Rebzeilen wachsen Wiesenblumen. «Wir dürfen nur jede zweite Zeile aufs Mal mähen, damit auch die Insekten eine Lebensgrundlage finden.» Die Traubensorten, die hier wachsen, sind Pinot noir, Chardonnay, Pinot gris, Chasselas, Gamaret, Marat, Savagnin Blanc und neuerdings Divico, eine Neuzüchtung, die nahezu resistent ist gegen Mehltau und Rohfäule. Hubert bückt sich: «Der Boden hier ist nicht kalkhaltig wie am Bielerseeufer, sondern sandig, was dem Wein eine leichtere und feinere Note verleiht.» Hubert zeigt auf die rund 15 bis 20 Jahre alten Weinstöcke. «Wir lassen sie etwa 30 Jahre alt werden, bevor wir sie zwecks Ertragsoptimierung ausreissen und ersetzen.
Um den Weinberg auf der Insel kümmert sich täglich der junge Önologe Manoah Devaux aus La Neuveville. Wir treffen ihn oben am Hang, wo er junge Stöcke an Leisten anbindet und sie mit Schutzhüllen gegen Wildfrass ummantelt. An seiner Seite arbeitet Anna Petrig, die zurzeit ein Praktikum auf dem Gut absolviert. Im Mai geht die Arbeit im Rebberg richtig los mit regelmässigem Mähen und Zurückschneiden der Triebe. Lesezeit ist schliesslich von Ende September bis Mitte Oktober. Bis zu 20 Helfer packen in dieser Zeit auf dem kleinen Weinberg an. Zwei Fuhren passieren jeweils täglich die Insel Richtung Kellerei in La Neuveville, wo das Traubengut sofort gepresst wird.