Ein Hauch Toskana in unseren Wäldern
Die Setzlinge vor dem Anpflanzen im «Ruessmattbode»
TEXT: MARTIN GRASSL
Durch den «Bremer» joggen und sich ein wenig wie in der Toskana fühlen? Das könnte in ein paar Jahrzehnten an der künftigen Vegetation liegen. Dann werden wahrscheinlich heute ungewohnte Bäume unsere Wälder prägen, die in Süd- oder Südosteuropa heimisch sind und mit trockenen und heissen Sommern besser zurechtkommen. Seit einigen Jahren treten die Folgen des Klimawandels auch in unseren Wäldern deutlich zutage. Etliche durch die zunehmende Trockenheit geschwächte Bäume vermochten besonders den vergangenen Winterstürmen wie Burglind nicht mehr standzuhalten und wurden in grosser Zahl umgeworfen. Insbesondere alte Fichten und Buchen drohen nahezu zu verschwinden.
Zur Evaluation, welche Baumarten besser gegen die weiter steigenden Temperaturen gerüstet sind, führt die eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) einen schweizweit angelegten Testpflanzungsversuch auf 57 Versuchsflächen durch, welcher alle Höhenlagen, von kollin bis subalpin (250 bis 1820 m.ü.M.), sowohl nördlich als auch südlich der Alpen, umfasst. Die Pflanzungen befinden sich hauptsächlich im submontan gelegenen Gebiet des Mittellandes. «Der kolline bis submontane Bereich ist sehr stark von den klimatischen Veränderungen betroffen», erklärt Stefan Flückiger, Forstmeister der Burgergemeinde Bern, «hier befindet sich das grösste Baumartenspektrum, im Gegensatz zum alpinen Raum mit einer kleineren Bandbreite, optimalerer Wasserversorgung und kühleren Temperaturen als im Mittelland». Der burgerliche Forstbetrieb nimmt ebenfalls am Testpflanzungsversuch teil und hat seit September auf der repräsentativen, submontan gelegenen Fläche «Ruessmattbode» im Forst eine Fläche bepflanzt. Auf allen 57 Versuchsflächen wird ein sogenanntes Kernset neun zukunftsträchtiger Baumarten unterschiedlicher Herkunft gepflanzt, nämlich Weisstanne, Bergahorn, Buche, Lärche, Fichte, Föhre, Douglasie, Traubeneiche und Winterlinde. Die Herkunft beinhaltet auch die entsprechende genetische Eigenschaft: Es kann sinnvoll sein, Bäume aus Samen etwa von Fichten aus deutlich tieferen Lagen, die mit weniger Wasser als unsere auskommen, bei uns anzupflanzen. Auf allen Flächen werden grundsätzlich Baumarten aus jeweils tieferen Lagen gepflanzt, deren Klimabedingungen am Versuchsstandort zu erwarten sind.
Auf mehr als einem Dutzend der Flächen, sogenannten «Supersites», wird zusätzlich ein Ergänzungsset mit teils exotischen Baumarten vorwiegend aus Süd- und Südosteuropa angepflanzt, so auch auf dem «Ruessmattbode». Es umfasst die weiteren neun Baumarten Schneeballblättriger Ahorn, Spitzahorn, Atlaszeder, Baumhasel, Nussbaum, Kirschbaum, Zerreiche, Stieleiche und Elsbeere. Im «Ruessmattbode» stehen auf der 1,12 Ha grossen Versuchsfläche bald rund 860 Bäume auf 24 Plots à 9 Bäumen gleicher Art, aber verschiedener Herkunft. Der Forstbetrieb nimmt auf Weisung des WSL entsprechende forstliche Eingriffe vor. Sämtliche Pflanzungen werden bis 2022 vollständig angelegt sein. Die Beobachtungsphase des aufgrund seiner in diversen Lagen identischen Pflanzanordnung einzigartigen Versuchs erstreckt sich über die kommenden 30 bis 50 Jahre. Die WSL wird periodische Monitorings durchführen. Erste Erkenntnisse werden in rund zehn Jahren in der Waldwirtschaft umgesetzt werden können.
Holz, ein Rohstoff der Zukunft
«Holz hat als einziger nachwachsender Rohstoff Zukunft», betont Stefan Flückiger, «und kann als Baumaterial oder Energieträger genutzt werden. Und seine Verwendung in der Biochemie wird eine immer grössere Rolle spielen, etwa als Erdöl substituierende Grundsubstanz von Medikamenten oder als Lastwagen-Treibstoff in Form von Bio-Ethanol aus Zellulose. Holz hat ein gesellschaftliches Potenzial und kann den steigenden Bedarf der Weltbevölkerung nach einem ökologischen Rohstoff erfüllen.» Da der Klimawandel die Prozesse in der Natur rasant beschleunigt, muss der Rohstoff Holz optimiert produziert werden: Schneller wachsende Baumarten oder solche, die Klimaschwankungen besser meistern, haben die Nase vorn. «Unser Ziel in der Waldbewirtschaftung ist, zukunftsträchtige Bäume zu fördern und die Risiken zu senken», so Stefan Flückiger.