Dokumente zur Chirurgie des 17. Jahrhunderts erstmals online
Wilhelm Fabry (1560–1634) erlebt in seiner Geburtsstadt Hilden eine von vielen Schicksalsschlägen geprägte Jugend. Mit neun Jahren verliert er seinen Vater, mit fünfzehn erkrankt er an der Pest. Im Jahr darauf beginnt er eine Lehre als Wundarzt in Neuss, ab 1580 arbeitet er als Badergeselle in Düsseldorf beim Chirurgen Cosmas Slot. Als dieser 1585 stirbt, begibt sich der junge Wilhelm Fabry auf Wanderschaft, wo er in Genf beim Chirurgen Jean Griffon tätig ist. Dort lernt er Marie Colinet kennen, die zwei Jahre später seine Frau wird. 1589 kehrt er mit seiner Familie in seine Geburtsstadt zurück, wo er eine Praxis eröffnet.
1593 zieht er bereits weiter nach Köln, ab 1596 praktiziert er auch in Lausanne. 1602 erhält er eine feste Stelle als Stadtarzt in Payerne. Da er aber weiterhin ein rastloses Leben als gefragter Wundarzt führt und oft Wochen und Monate abwesend ist, ersucht er 1610 um seine Entlassung. In den folgenden Jahren schlägt das Schicksal wieder zu: 1612 verliert Wilhelm Fabry mehrere Töchter durch die Pest. 1615 erhält er eine Anstellung als Städtischer Chirurg in Bern, die er bis zu seinem Tod innehat. Weiterhin reist er öfters zu Konsultationen nach Deutschland, 1618 wird er zum Leibarzt des Markgrafen Georg Friedrich von Baden-Durlach ernannt.
Ab etwa 1624 gibt Wilhelm Fabry seine ausgedehnten Reisen krankheitshalber auf und widmet sich in Bern der Ausbildung von Schülern und der Publikation seines Wissens. Er stirbt am 14. Februar 1634 nach einem erfolgreichen Leben. Sein literarischer und wissenschaftlicher Nachlass wird der Berner Bibliothek vermacht.
Ein Handwerker unterwegs
Der Chirurg Wilhelm Fabry ist ganz im etymologischen Sinn seiner Berufsbezeichnung Handwerker (griechisch «cheir-ourgos» = «Hand-werker»). Er reist zu seinen Patienten und entwickelt neue Behandlungsmethoden und -geräte, die er auch laufend in gedruckter Form herausgibt. Er gilt deshalb schon bald als der bedeutendste deutschsprachige Wundarzt. Durch seine Bekanntheit erhält er Anfragen von Fachkollegen aus ganz Mitteleuropa. Dieser intensive Austausch über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren schlägt sich in einem umfangreichen Briefwechsel nieder, von dem sich in der Burgerbibliothek in der Abteilung Bongarsiana/Codices drei Bände mit 450 Briefen und etwas über 2500 Seiten in Abschriften befinden (Cod. 495-497).
Ebenso international wie das Netzwerk von Wilhelm Fabry ist auch das Interesse der heutigen Forschung an seiner Korrespondenz, gilt er doch mittlerweile als Begründer der wissenschaftlichen Chirurgie (unter anderem wurde am Inselspital Bern das ehemalige Anna-Seiler-Haus in Wilhelm-Fabry-Haus umbenannt). Aus diesem Grund entschied sich die Burgerbibliothek, die Briefbände in ihrem Besitz vollständig online zugänglich zu machen. Weil die Originale zahlreiche eingeklebte Zeichnungen, kleinformatige Zettel und quer eingebundene Stücke enthalten, stellt ihre Handhabung eine besondere Herausforderung dar. Aus konservatorischen Gründen wurden deshalb nur die etwa 150, teils farbigen Illustrationen neu aufgenommen, während für die gut lesbaren Textseiten Digitalisate der vorhandenen Schwarz-Weiss-Mikrofilme verwendet wurden.
Briefe und Illustrationen Wilhelm Fabrys im Online-Archivkatalog
Chirurgie: Entwicklung einer Beinschiene
Wilhelm Fabry empfiehlt in einem Brief an Paul Croker, Leibarzt des Herzogs von Zabras und Rat des Königs von Polen, die Anwendung einer Beinschiene zur Korrektur eines angeborenen Klumpfusses (Bern 2. August 1627).
Brief mit Abbildung
Missbildungen: unvollständiger Zwilling eines Lamms
Wilhelm Fabry berichtet in einem Brief an Caspar Bauhin Stadtarzt und Professor für praktische Medizin in Basel von verschiedenen Missbildungen (Lausanne 30. November 1614). Die Caspar Bauhin gewidmente Schrift wurde gedruckt: Guilhelmi Fabricii Hildani De monstro Lausannae equestrium exciso … Oppenheim, Hieronymus Galler, 1615.
Brief mit Abbildung
Druck, wohl Vorbereitung für eine zweite Auflage
Exotica: Chinesisches Blockbuch
Wilhelm Fabry berichtet in einem Brief an seinen ehemaligen Schüler Johannes Burgauer, Stadtarzt in Schaffhausen, von der Entdeckung eines chinesischen Blockbuchs in der kürzlich in Bern eingetroffenen Sammlung des Jacques Bongars (Bern 1. September 1632). Das Chinesische Blockbuch trägt heute die Signatur Cod. 350.
Brief
Illustration: Kopie Fabrys
Illustration: Chinesisches Original