Zehn Jahre massgeschneiderte Lösungen
TEXT: MARTIN GRASSL; BILD: SIMON STÄHLI
Sie sind seit Beginn der bKESB dabei. Was waren die grössten Herausforderungen?
Nino Brunner: Vor zehn Jahren wurde im Kanton Bern die betreffende Gesetzgebung geändert, als Folge wurden die KES-Behörden geschaffen. Während früher die Gesellschaften und Zünfte oder burgerlichen Anschlussgemeinden bei Massnahmen das Sagen hatten, wurde dies der neuen Behörde übertragen. Die Kosten werden aber nach wie vor von Letzteren getragen. Durch die gewollte Professionalisierung und Entflechtung ging aber einiges Wissen über die von den Massnahmen Betroffenen verloren, weil die damit verbundenen Aufgaben früher durch die Gesellschaften und Zünfte und im engeren zwischenmenschlichen Kontakt wahrgenommen worden waren. Deshalb ist uns heute wichtig, im Bedarfsfall bei den betreffenden Almosnerinnen und Almosnern ergänzende Auskünfte einzuholen.
Als einzige KESB im Kanton Bern beschäftigt die bKESB einen Arzt. Was waren hierzu die Gründe?
Zu Beginn waren wir sogar zwei Ärzte, was aber Zufall war. Meines Wissens bieten die anderen kantonalen KES-Behörden keine niedrigprozentigen Stellen für Behördenmitglieder an, was eine Anstellung für eine ärztliche Fachperson unattraktiv macht. Bei der bKESB arbeite ich jedoch als Behördenmitglied und nicht als praktizierender Psychiater. Dennoch kommt mir mein fachliches Wissen zugute, etwa bei der Interpretation von Arztberichten, beim Verstehen komplexer familiärer Konstellationen oder bei Menschen mit Suchterkrankungen.
Rein persönlich gefällt mir das Interdisziplinäre, wie ich es als praktizierender Psychiater nicht mehr kenne. Unsere zwei Hauptspruchkörper bei der bKESB umfassen jeweils drei Personen und sind interdisziplinär zusammengesetzt mit Sozialarbeiterinnen, Juristinnen und Juristen sowie Fachkräften aus dem medizinisch-psychologischen Bereich. Dadurch versuchen wir, den zumeist vorliegenden komplexen Situationen gerecht zu werden.
Wann und wie wird die KES-Behörde tätig und was ist daran neu?
Meistens erhalten wir eine Gefährdungsmeldung von privater Seite, oft von Angehörigen, der Polizei, einem Spital oder unserem Sozialdienst. Dann gilt es beispielsweise abzuklären, ob eine Gefährdung vorliegt, was in der Regel Fachpersonen des Burgerlichen Sozialzentrums oder einer Anschlussgemeinde vornehmen. Meist kommt es auch zu einer Anhörung durch die bKESB. Danach entscheidet der Spruchkörper, ob Massnahmen ergriffen werden wie etwa eine massgeschneiderte Beistandschaft.
Stichwort öffentliche Kritik an der KESB?
Man hört tendenziell weniger Kritik als auch schon, weil meines Erachtens insgesamt gute Arbeit geleistet wird. Man darf nicht vergessen, dass KES-Behörden oft mit hochkomplexen Situationen konfrontiert werden und ihre Entscheide und Massnahmen für die Betroffenen frustrierend sein können. Oft sind Entscheide bei Betroffenen unpopulär und können Unverständnis auslösen. Dabei gibt es oft nicht einfach ein richtig oder falsch. Zudem sind die notwendigen Massnahmen oft recht kostspielig.
Können alle KES-Behördenmitglied werden oder muss man dafür Burgerin oder Burger sein?
Man muss dafür nicht Burgerin oder Burger zu sein, was ebenso für die Tätigkeit als Beiständin oder Beistand gilt. Wer sich für Letzteres interessiert, kann sich gerne beim Burgerlichen Sozialzentrum, den angeschlossenen Burgergemeinden oder den Gesellschaften und Zünften melden.