TEXT (AUS DEM ENGLISCHEN): MARTIN GRASSL; BILD: ZVG
Die ukrainische Lehrerin Irina Cherednychenko floh letzten Frühling mit ihrem Sohn aus Kiew in die Schweiz und nach Bern. Zurzeit ist sie an der Ukrainischen Schule in Bern, «Ridne Slovo», tätig. An dieser Schule werden die Kinder jeden Samstag in verschiedenen Fächern auf Ukrainisch unterrichtet. Seit Kriegsbeginn ist die Anzahl Schülerinnen und Schüler merklich gestiegen, aktuell besuchen die Schule rund 70 Kinder zwischen vier und 16 Jahren, von der Kindergarten- bis zur Sekundarstufe. Irina Cherednychenko organisiert mit drei weiteren geflüchteten Lehrkräften der Schule zudem Ausflüge für Kinder aus der Ukraine im Kanton Bern. Die Angebote finden am Wochenende oder in den Schulferien statt.
MEDAILLON: Wie kam es zur Schaffung des Kinderausflugsangebots?
Irina Cherednychenko: Die geflüchteten ukrainischen Kinder fühlen sich hier ziemlich isoliert. Anstatt die meiste Zeit am Smartphone zu verbringen, können sie dank der Ausflüge nun einiges erleben und sich mit Gleichaltrigen in ihrer Sprache unterhalten sowie neue Freundschaften schliessen. Dazu lernen sie die Schweiz besser kennen und können ihre erworbenen deutschen Sprachkenntnisse testen. Wir haben für sie interessante Destinationen zusammengestellt und dabei auch Tipps von Einheimischen berücksichtigt.
Welche Destinationen sind bei den Kindern der Hit?
Unter den Highlights befinden sich die Schokoladefabriken von Cailler und Lindt. Beliebt sind aber auch das Sensorium in Walkringen oder das Technorama Winterthur. Ich kann mich aber auch gut an ein Mädchen erinnern, das im Kunstmuseum Solothurn total von den Socken war, weil sie nämlich fast nicht glauben konnte, ein Original von Van Gogh vor sich zu haben. Solche Bilder hängen in ihrer Heimat in keinem öffentlichen Museum. Überhaupt können die Kinder dank der von der Ukraine-Hilfe Bern unterstützten Ausflüge an andere Orte in der Schweiz reisen. Die hiesigen Reisekosten könnten sie sich nämlich nicht leisten, da sie fast sechs Mal höher sind als in der Ukraine.
Wie gross ist die Nachfrage nach den Ausflügen?
Es gibt einen grossen Run auf das Angebot. Wenn ich die Kinder jeweils anrufe, um ihnen die Teilnahme zu bestätigen, fühle ich mich wie Santa Claus. Wir richten uns an alle Kinder im Kanton Bern, neu Angekommene haben dabei Vorrang. Eine Reisegruppe umfasst 15 Kinder sowie zwei begleitende Lehrkräfte. Bisher haben rund 240 Kinder teilgenommen, ihre Eltern sind über unser Angebot sehr happy.
Mit welchen Herausforderungen haben die ukrainischen Flüchtlingskinder in Bern besonders zu kämpfen?
Viele Kinder haben Heimweh nach ihren Vätern oder Brüdern. Andere realisieren, dass sie nicht mehr so schnell zurückkehren können, weil ihr einstiges Zuhause komplett zerstört worden ist. Viele Kinder brauchen deshalb auch psychologische Hilfe. Eine andere Herausforderung stellt die Sprachbarriere dar: Einerseits versuchen sie Deutsch zu lernen, andererseits realisieren sie, dass sie gleichwohl den Dialekt nicht verstehen. Dank des Supports der Ukraine-Hilfe Bern konnten wir übrigens auch einen Grundstock an ukrainischen Kinderbüchern organisieren, die ihnen nun an der Ukraine Schule Bern zur Verfügung stehen.