Zwischen Idyll und Lebensraumzerstörung: neuer Blick auf Afrika-Dioramen
Die neue Ausstellungssituation der «Tiere Afrikas» im Erdgeschoss des Naturhistorischen Museums Bern
TEXT: STEFANIE CHRIST / DORA STRAHM; BILD: NELLY RODRIGUEZ
Sie sind ein Höhepunkt jedes Ausstellungsbesuchs: Die Afrika-Dioramen mit den Löwen-, Nashorn- oder Gorilla-Präparaten. Die geschichtsträchtige Ausstellung ist untrennbar mit der Geschichte des Naturhistorischen Museums Bern verbunden. Vom Raritätenkabinett über die überfüllte Schausammlung an der Hodlerstrasse bis zur Dioramen-Ausstellung «Tiere Afrikas» im 1936 neueröffneten Museumsbau im Kirchenfeld- Quartier: Die Tiere, welche die Berner Bernard und Vivienne von Wattenwyl zwischen 1923 und 1924 von ihren Grosswildjagdsafaris nach Bern gebracht hatten, prägten stets die Raumstrukturen. Vor allem die 1936 eingeweihten Schaukästen mit über 100 unbekannten Tieren in ihren vermeintlich natürlichen Lebensräumen galten als Sensation und als modernste Form der Präsentation im Ausstellungswesen. Zuvor waren Tierpräparate ohne Bezug zu ihrer Umgebung in Vitrinen gezeigt worden.
Biodiversitätskrise und Kolonialgeschichte
Doch heute wissen wir: So natürlich, wie sie scheinen, sind die dargestellten Dioramen-Welten nicht. Vielmehr handelt es sich um die Illusion eines Idylls, das schon damals den prägenden Einfluss der Menschen auf die Natur ausblendete. Heute sind Lebensraumzerstörung und Biodiversitätskrise auf dem afrikanischen Kontinent wie überall auf der Welt längst unübersehbar. Und doch ist unser Bild noch immer stark durch die Safari-Romantik in unberührter Natur geprägt. Um der Realität gerechter zu werden und die Dioramen auch in einen historischen Kontext zu rücken, hat das Museum in den vergangenen Monaten die Dioramen-Ausstellungen überarbeitet. Neu soll das Publikum beim Besuch niederschwellig erfahren, dass die «Tiere Afrikas» unter anderem ein aus der Zeit gefallenes Stück Kolonialgeschichte sind, an der auch die Schweiz ihren Anteil hat, obwohl sie keine eigenen Kolonien besass: Sie profitierte, wie andere westliche Staaten, von den kolonialen Transportrouten und von der Wissens- und Ressourcenausbeutung der lokalen Bevölkerung.
Präparation: Kunsthandwerk im Fokus
Darüber hinaus wird im Eingangsbereich der «Tiere Afrikas» auch das beeindruckende Kunsthandwerk hinter den Tierpräparaten verstärkt in den Fokus gerückt. Aus behandelten Häuten und genauen Körpermodellen schufen die damaligen Präparatoren lebendig wirkende Tiere. Der verbreitete Begriff des «Ausstopfens» ist allerdings falsch gewählt: In der sogenannten Dermoplastik bilden auch heute noch die Präparatorinnen und Präparatoren aus Gips oder Kunststoff Tierkörper präzise nach. Anschliessend bringen sie die Originalhaut auf dem Körpermodell an. Ein Tier, das von Wattenwyls einst nach Bern schickten, kann in der Museumssammlung entsprechend doppelt vertreten sein: Zum einen als montierte Dermoplastik (oder als Haut in der Sammlung), zum anderen als Skelett.