Navigieren auf Burgergemeinde Bern

Benutzerspezifische Werkzeuge

Inhalts Navigation

Wenn Gesteine Geschichten erzählen

05.07.2024

Im Naturhistorischen Museum Bern wird nicht nur gezeigt und vermittelt, sondern auch geforscht und gesammelt. Der Geologe Thomas Burri gewährt einen Einblick in die Abteilung Erdwissenschaften. Er erzählt von Meteoriten und Steinbeilen, von seinem besonderen Werdegang – und von Datenbanken.

TEXT: CHRISTOPH BUSSARD; BILD: NELLY RODRIGUEZ

Thomas Burris Büro ist wie ein Museum im Museum. Wohin man blickt, man blickt auf Gesteine: sei es aus einer Scherzone im Oman, der Schlucht von Court oder vom Rand des Zugersees, sei es ein Bohrkern aus dem Lötschberg, ein Eklogit aus 50 bis 60 Kilometern Tiefe oder ein Karteikasten mit historischen Marmorplättchen. «Gesteine sind wie Bücher, in denen man lesen kann», sagt Thomas Burri, «sie erzählen Geschichten».

Oman, Mont Sujet – und ein Tiefenlager
Manchmal geht es ob der Faszination für die Ausstellungen fast ein wenig vergessen: Das Naturhistorische Museum Bern ist eine Forschungsinstitution mit den drei Abteilungen Erdwissenschaften, Wirbellose Tiere und Wirbeltiere. Thomas Burri ist Teil des fünfköpfigen Teams der Erdwissenschaften. Internationale Beachtung findet die Abteilung etwa mit der Meteoritenforschung in der Wüste von Oman oder am Mont Sujet. Als «hot topic» bezeichnet er zudem die Mitarbeit am Projekt Mont Terri im Jura, wo zur geologischen Tiefenlagerung von radioaktiven Abfällen geforscht wird.

Woher kommt dieser Serpentinit?
Seiner Leidenschaft für Gesteine und Geschichten kann Thomas Burri in einem Forschungsgebiet nachgehen, das er als «Archäogeologie» bezeichnet. Diese hat ihn kürzlich in die Gegend um Andermatt geführt, wo er Serpentinite gesammelt und dabei kaum mehr aus den Erlengestrüppen herausgefunden hat. «In Seeufersiedlungen am Zugersee wurden in der Jungsteinzeit auffällig viele Steinbeile aus Serpentinit verwendet, obwohl dieses Material dort kaum vorkommt. In Zusammenarbeit mit Archäologinnen und Archäologen versuchen wir herauszufinden, woher das Rohmaterial für die Steinbeile stammt», erklärt Thomas Burri. Es gibt Hinweise darauf, dass es aus dem Gebiet Andermatt stammen könnte. Lässt sich dies bestätigen, entstehen Hinweise darüber, wo es früher Handelsrouten gab und wie das Material verteilt wurde. «Solche Handelsbeziehungen lassen sich zum Beispiel an Jadeit-Steinbeilen ablesen, die zwar im Mittelland gefunden wurden, aber aus den italienischen Westalpen stammen müssen», erklärt er.

Die Leidenschaft für Archäogeologie ist eng mit der persönlichen Geschichte von Thomas Burri verknüpft. Nach der Lehre als Hochbauzeichner absolvierte er das Gymnasium an der Feusi, um Archäologe zu werden. «Zehn Jahre später wurde ich von der Universität Bern als promovierter Geologe wieder ausgespuckt. Was genau passiert ist, weiss ich nicht», erzählt er lachend. Er sieht es aber zu 100 Prozent positiv: «Archäologe wollte ich werden, Geologe bin ich geworden. Nun arbeite ich an der Schnittstelle.» Das sei insofern eine win-win-Situation, als in der Archäologie oft das Know-how über Geologie fehle.

Die Geologen holen auf
Der Auftrag der wissenschaftlichen Abteilungen am Naturhistorischen Museum Bern lautet nicht nur «forschen», sondern auch «sammeln». Die Sammlung der Erdwissenschaften in den Archivräumen des Museums umfasst rund eine halbe Million Objekte: 450000 Fossilien, dazu Meteoriten, Erze, Mineralien und Gesteine. Thomas Burri ist aktuell stark mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt. «Museen wollen nicht bloss eine Belegsammlung im Keller, sondern eine Forschungssammlung, die Forschenden, Sammelnden und anderen Interessierten online zur Verfügung steht», sagt er. Die Geologie sei bezüglich Publizieren von Objekten im Internet lange Zeit der Biologie hinterhergehinkt, in den vergangenen zwanzig Jahren habe sich verständlicherweise vieles um Biodiversitätsprojekte gedreht. Doch nun sei weltweit eine «grosse Dynamik» feststellbar, die Geologie auf gutem Weg, den Rückstand aufzuholen. Ein Projekt der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz hat zum Ziel, die Objekte der naturwissenschaftlichen Sammlungen der Schweiz virtuell zugänglich zu machen. Thomas Burri ist Mitglied mehrerer Arbeitsgruppen, die sich um die Einbindung der Erdwissenschaften in diesem Projekt kümmern.

Aber ja: Mit der Datenbank allein ist es nicht getan, letztlich muss jedes einzelne Objekt digital erfasst werden. Thomas Burri ist froh, bei dieser Arbeit auf die Unterstützung von freiwilligen Mitarbeitenden und Zivildienstleistenden zählen zu können: Bis vor kurzem warteten 90% der rund 4000 Gesteine des Museums auf ihre digitale Erfassung – darunter historisch bedeutsame Sammlungen von Pionieren der Alpengeologie wie Studer, Baltzer oder Escher. «Es gibt noch viel zu tun», sagt Thomas Burri.

Weitere Informationen.

Medien

Medienmitteilungen der Burgergemeinde

Fusszeile